Neubaugelände am Tacheles. Obwohl die Investoren mit renommierten Stararchitekten wie Herzog & de Meuron und Brandlhuber+ aufgewartet haben, ist eine durchdringende Langeweile entstanden. Wahrscheinlich haben die renommierten Namen geholfen, renditorientierte Architektur bei den Baubehörden durchzuwinken. Zwar hat Herzog & de Meuron sich bei der Entwurfsplanung an der kaiserlichen Architektur einer Ladenpassage orientiert und zusätzlich begrünte Innenhöfe geschaffen, entstanden ist trotzdem eine nutzflächenoptimierte Stadtlandschaft. Auch wenn der ehemalige Underground in der Galerie Fotografiska museal konserviert wird und die Investoren noch einmal die Vergangenheit, die ehemalige Kingsize Bar, temporär ausstellen, spiegelt der öffentliche Innenhof mit den Fassaden von Herzog & de Meuron nichts als die Ödnis des nach dem Kriege entstandenen Wirtschaftswunderlandes wider.
Die durchgerasterten Fassaden der Bürolandschaft des Innenhofes könnten auch in Düsseldorf oder Frankfurt in der späten Ära Adenauer entstanden sein, als eine durchtraumatisierte Nachkriegsgesellschaft sich im Wirtschaftswunder heilen wollte. In ihrer abweisenden Berührungslosigkeit schützen die Fassaden den Hof und seine reichen Bewohner vor dem Tourismus, der in den Nebenstrassen rückhaltlos jegliche Urbanistik ruiniert. In einer Atmosphäre, die einer Intensivstation, einer Intensivlandwirtschaft oder einem Versicherungskonzern gleicht, siedeln sich allerdings bis jetzt nur CUPRA, AUTODOC (ein Händler für verbilligte Ersatzteile von Autos), Rewe und Rossmann an. Insofern ist das Gelände ein Konzeptareal, das eine Gesamtschau der urbanen Artenreduktion wider Willen liefert.
Nirgendwo ist die lose Verbindung zwischen Avantgarde und Kapital so spürbar, wie in diesem Areal. Es ist als würde das Kapital das aufregende Leben beschwören, was längst verschwunden ist und nun nur noch durch sorgfältig konservierte Patina konserviert wird. Es ist nicht als würde Orpheus Eurydike rufen, nein, es ist als würden aus dem Hades Stimmen rufen, die diejenigen suchen, die längst gestorben oder vertrieben sind.