In den Zwanziger Jahren gab es erste Projekte, die Autostrassen als Teil eines funktionalen Fortschrittes begreifen wollten und Büro- und Wohnhäuser so konzipierten, dass sie Strassen als Querriegel überspannten. Das Büro des Rektors im Bauhaus zu Dessau sollte auf eine befahrene Strasse herabblicken, ebenso ein Querriegel in der Weißen Stadt in Berlin, die am Ende der 1920er Jahre für soziale Zwecke nach dem Städtebauentwurf von Otto Rudolf Salvisberg erbaut wurde. Das Auto, das bis dahin nur ein Verkehrsmittel der Wohlhabenden war, sollte nun Vision des neuen, beweglichen Menschen sein. Die Charta von Athen postulierte 1933 eine Trennung verschiedener städtebaulicher Zonen, nachdem Le Corbusier das mit dem utopischen Plan Voisin, für den ein Teil der Pariser Altstadt abgerissen werden sollte, vorweggenommen hatte. In der Radikalität, mit der das Alte negiert werden sollte, liegen Parallelen zu den gesellschaftlichen Umwälzungen, die totalitäre Regime durchführten.
Nach dem Krieg beschäftigten sich die Planer in Deutschland mit der autogerechten Stadt, als wäre dies ein weiteres, fortschrittliches und diesmal politisch akzeptables Projekt, das nun zur Vollendung anstünde. In München etwa sollte, wie in Paris und Madrid, längs der Isar im Hochwasserbett eine vierspurige Schnellstraße entstehen, in Westberlin wurden Autobahntrassen und Schnellstrassen konzipiert, für die halbe, noch intakte Stadtteile in Kreuzberg und Schöneberg niedergelegt werden sollten. Auch hier, in der bewußten Opferung des Alten und auch Schönen, erhält die Moderne ein Janusgesicht, das sich nur unschwer von kompromißlosen totalitären Vorstellungen unterscheiden läßt, obwohl der großzügige Abriß des Alten unter dem Euphemismus der Flächensanierung nicht nur Markenzeichen von Diktaturen sondern vor allem auch lange der so fortschrittlichen Sozialdemokratie in Berlin war.
Die Weißen Elefanten der Symbiose zwischen Individualverkehr, Uniformität des staatlich geförderten Wohnens und futuristischer Utopie der Bewegung bleiben wie sinnlose Solitäre in der Stadt, das Zentrum Kreuzberg etwa, dessen Nordfassade keine Balkone enthält, weil dort, wo heute die Oranienstraße ist, eine Autobahn geplant war und die massigen Bauten den Lärm vom Kottbusser Tor abhalten sollten. Oder das Pallasseum, der sogenannte Sozialpalast, ein Projekt des sozialen Wohnungsbaus in Schöneberg, das einen Bunker überspannt und unter dem eine vierspurige Strasse durchführen sollte, die aber nie fertig wurde und für die eines der schönsten Viertel Schönebergs von einer vierspurigen Autopiste zerteilt worden wäre. Der sogenannte Bierpinsel in Steglitz, der ein Restaurant mit Blick auf die Schnellstraße vorsah, steht leer aber unter Denkmalsschutz, als Zeuge einer Zeit, da man glaubte mit Beton und Benzin die Ära einer hochmobilen und funktionalen Stadt zu erschaffen.