Alle Artikel in: Theologie

Ränder der Neuzeit, Teil 5

Denken / Theologie

Devil’s Contract heisst das von James Wood im The New Yorker gelobte Buch von Ed Simon, das eine andere Geschichte über uns schreiben will: In der Neuzeit wurde der Pakt mit dem Teufel en gros unterzeichnet und der Preis des Paktes, unser Ende, der sei jetzt fällig. Es ist natürlich nicht nur die Geschichte des Einzelnen, denn wer hat nicht wissentlich hie und da Unrecht akzeptiert oder getan und dabei die unklare Linie des Paktes […]

A CHAPEL FOR LUKE and his scribe Lucius the Cyrene

Kunst / Theologie

Im Diözesanmuseum Freising, das sonst kirchliche und katholische Devotionalien enthält, findet sich eine überraschende Arbeit von James Turrel. Dort, wo früher die Kapelle des Knabenseminars war, ist jetzt eine Lichtinstallation, die den Raum in eine diffuse Sphäre ohne Tiefe verwandelt, nur eine Öffnung in der Wand verbleibt. Die Farbe des Lichtes wechselt, die Öffnung hat immer eine andere Farbe als der Raum. Die Besucher scheinen im Nichts zu stehen, der Raum löst sich auf, was […]

Ränder der Neuzeit, Teil 4

Denken / Theologie

Es gibt eine merkwürdiges Zeichnung, die alle Vorstellungen der Linearität der Zeit über Bord wirft. Alles traditionelle Denken, das sich an der bisher bekannten Naturwissenschaft orientiert, erscheint obsolet. Vor dem zweiten Weltkrieg entstand eine grobe Skizze von Japan mit Kreisen an der Küste nördlich von Tokio. Daneben ist ein weiterer Kreis im Landesinneren, in dem eine Art Zeiger steckt. Über Japan beugen sich drei christliche Nonnen, sie haben Kreuze auf ihrem Habit. Unten, im Süden […]

Buddhas neue Uniform

Denken / Theologie

Im Sommer gab es eine Ausstellung mit Fotografien von Daido Moriyama im C/O Berlin. Die Fotografien sind wie Momentaufnahmen eines hässlichen Landes, einer grotesken inneren Welt und gleichzeitig eine große Meditation des Vipassana, weswegen hier ein fast zwanzig Jahre alter Artikel erneut zitiert wird: Ostasien für die Mittelschicht: Der frische Reiniger aus Fernost. Philosophien und Religionen sind wie Computerbetriebssysteme. Es gibt einige Oberflächen, die einander gleichen, manche Betriebssysteme erzeugen immer neue Oberflächen, andere immer identische, […]

Die Verlorenheit der Hoffnung

Architektur / Kunst / Theologie

In der Apsis steht verloren die Statue eines Mannes, der winkend und sehr energisch auf Ankommenden zuzugehen scheint. Die Statue wirkt klein, fast verloren, steht aber mittig und zieht in dem kahlen Kirchenschiff alle Blicke auf sich. Sonst ist die Kirche weiß, man sieht ein Potpourri aus romanischen Bögen und barocken Fenstern. Aller Schmuck ist fort, der Boden ist aus hellem Kalkstein. Die Chorfester lassen durch Onyxmarmorfenster diffuses Licht herein. In den sonst absolut kahlen […]

Der verfrühte Text

Denken / Theologie

Kids wollen Indianer sein, keine Cowboys. Ich erinnere mich noch an den Siedlungsblock am Ende der Straße, wo wir Schulkinder spielten. Und weil es doch gleich viele Indianer wie Cowboys geben musste und alle alle Indianer sein wollten, gab es Streit. Gewürfelt wurde nie, die Cowboys waren immer die Dummen, körperlich Unfitten und Uncoolen. Also ich. Lag das an Karl May, den ich wegen dieser Spiele nie gelesen habe?

Überwältigung durch Polyphonie

Architektur / Fotografie / Theologie

Als die Söldner und Fürsten aus dem hohen Norden, die sich in Süditalien festgesetzt hatten, reinen Tisch machten und auf Geheiß des Papstes im 11. Jahrhundert Sizilien eroberten, fanden sie eine eine Mischkultur aus orthodoxen Griechen, katholischen Langobarden, einheimischen Sizilianern, Juden und muslimischen Arabern vor.

Die Apokalypse des Pornostars

Erinnerung / Theologie

Als ich ihn das erste Mal 1994 sah, ahnte ich nichts von der Vision der Apokalypse, die er in seinem Kopf trug, denn er war breitschultrig und beunruhigend muskulös. Er hatte eine Glatze und sein junges, gewinnendes Lächeln zeigte sauber geordnete Zähne, die vor Gesundheit nur so zu strotzen schienen. Die Hüften waren schmal. Auf den äußerst üppigen nackten Armen spiegelte sich das Selbstvertrauen eines begehrten Mannes.

Fabriktagebuch

Geschichte / Literatur / Theologie

Das Fabriktagebuch (La condition ouvrière) von Simone Weil ist eines der eigenartigsten und sperrigsten Werke des 20.Jahrhunderts. Aus einer großbürgerlichen, kosmopolitischen jüdischen Familie stammend stand Simone Weil zuerst dem Kommunismus nahe, wurde Lehrerin, arbeitete für ein Jahr als Experiment in verschiedenen Fabriken, engagierte sich danach in dem spanischen Bürgerkrieg, um dann zuletzt, angewidert von der Brutalität der Anarchisten, sich der Religion anzunähern. Im Zweiten Weltkrieg floh sie nach London und arbeitete vorübergehend für de Gaulle. […]