Rückkehr zum Hass

Denken / Geschichte / Literatur

Wie Linke zu Rechten werden.

Warum wandern Stars der Avantgarde wie Céline und Handke in das rechte Lager? Am Anfang des Romans Reise ans Ende der Nacht von Louis-Ferdinand Céline werden Tage unter einem lethargisch in schwüler Hitze dahinsämmernden Kolonialregime geschildert, das in bürokratischer Unfähigkeit versinkt. Klimaanlagen, die Europäern die Wohlfühlzone enorm ausweiten, sind noch nicht vorhanden, so bleibt die feuchte, stickige und klebrige Hitze und das Scheitern der Hoffnung, in den Tropen zu reüssieren. Nach einer surrealen Fahrt auf einer Galeere gerät der Romanheld in eine weitere Hölle. Es ist die triste Lebensrealität einer Pariser Vorstadt und ihrer, damals noch rein französischstämmigen, Bewohner, die sich in kleinbürgerlicher Habgier und prekärer Armut an jede Centime klammern. Unglaubliche Enge und Bösartigkeit verweben zu sich zu einem Teppich des Grauens, dem der Armenarzt des Romans hilflos in seiner Gutgläubigkeit und Weichheit ausgeliefert ist. Nun hatte Louis-Ferdinand Céline mit Frankreich abgerechnet indem er seine Ränder beschrieb, die Kolonien und die Armen in den Vorstädten.

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Licht und Sinnlichkeit

Architektur / Fotografie / Kunst

César Manrique war einer der Menschen, in denen Licht, Kraft, Können und Sinnlichkeit zusammenliefen. Er war auch derjenige, der seine Heimat Lanzarote vor dem schlimmsten Auswüchsen des Baubooms bewahren wollte. Wer seinen berühmten Ausspruch Mit absoluter Freiheit zu schöpfen, ohne Ängste und Rezepte, tröstet die Seele und öffnet einen Weg, für die Freude zu leben! googelt landet allerdings mit ziemlicher Sicherheit auf den Seiten esoterisch angehauchter, peinlich mittelmäßiger Künstler, denn nur wenige Menschen haben die Kraft mit absoluter Freiheit zu schöpfen und dabei keine Geschmacksverbrechen zu begehen. Was bei Manriques Plädoyer zur Selbstentfaltung vergessen wird, ist, dass César Manrique für die Strenge der Form, also rigide Bauvorschriften, plädiert hatte, um die Schönheit Lanzarotes zu erhalten.

In einem Badezimmer

Geschichte / Theologie

Thomas Merton war einer der letzten großen Mystiker des letzten Jahrhunderts, sein Leben steht für die Zeit, als noch Interreligiöser Dialog Hoffnung weckte.

In einem Badezimmer nach dem Ventilator zu greifen, war offenbar keine gute Idee, vor allem dann, wenn das Badezimmer in Thailand war. Thomas Merton wurde am 10.12.1968 in Bangkok regungslos im Bad aufgefunden, wohl war er durch einen Stromschlag gestorben, als er nach einem Vortrag im Bad seines Hotelbungalows den Ventilator wegen eines Schwächenafalls heruntergerissen hatte.

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Die Stunde der Arroganz

Geschichte

Es ist ein ein eitler, alter und merkwürdig eindimensionaler Mann, der da mit über Achtzig schreibt.

Der Tod geht längst in seinem Freundes und Bekanntenkreis um, begleitet von dem Verfall der Körper und der Unbarmherzigkeit des Alterns, trotzdem fokussiert Fritz J. Raddatz sich in seinem Tagebuch auf den Verfall der Umgangsformen bei den Verlagen, den schlechten Wein, den sie zu Lesungen reichen und die unsinnige Frage, ob er, Raddatz, denn im Mittelklassehotel auf Teneriffa als alter Mann noch mit seiner Kleidung Beachtung fände.

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Unterschwellige Islamophobie trägt den Mantel des falschen Respektes

Theologie

Allah ist mit den Standhaften, Begegnungen mit der islamischen Revolution, hiess eines der vielen Bücher, die Peter Scholl-Latour verfasst hatte.

Damals, 1983, war der erste Golfkrieg, fanatische junge Männer auf iranischer Seite rissen sich die Hemden auf, bevor sie mit nackter Brust auf die Minenfelder und verbunkerten Soldaten auf irakischer Seite losstürmten. Als Inkarnation des Fanatismus schien der greise, humorlose Ajatollah Chomeini über ein Land voll religiösem Fanatismus zu herrschen, während in Afghanistan Mudschahedin gegen die sowjetische Besatzungsmacht kämpften und dabei offen von den USA unterstützt wurden. Seitdem hat sich eingebürgert, dass in deutschen Medien, wenn Muslime von Gott sprechen, das Wort Allah verwandt wird. Das erscheint auf den ersten Blick als korrekt und freundlich, spricht der Koran doch von Allah und ist dies nicht eine Verneigung vor einem fremden Sprachgebrauch? Oder trägt den Mantel des falschen Respektes etwa doch unterschwellige Islamophobie? Mitnichten ist es ein Zeichen des Respektes, es ist genau genommen ein diskreter Hinweis darauf, dass diejenigen, die es verwenden, religiös und ethisch nicht satisfaktionsfähig sind, weil ihre himmlische Herrschaft nicht die unsere ist. Natürlich, das ist gut verbrämt und scheinbar interkulturell formuliert. Es ist angeblich so höflich, dass offenbar alle sich bemüßigt fühlen, Allah zu verwenden, wenn der Koran oder Muslime von Gott reden. Natürlich ist diese scheinbare Höflichkeit ein Irrtum in der Kategorie der Worte, Allah ist das arabische Wort für Gott, auch arabische Christen rufen mit diesem Wort Gott an, es ist also kein Eigenname, sondern nur eine Bezeichnung für die mögliche letzte, unbeschreibliche Wirklichkeit, eben jene, die die Gläubigen auf Deutsch Gott nennen. In Allah ist auch derselbe Wortstamm enthalten, der im hebräischen El wiederkehrt, was Gott bedeutet. Selbst JHWH, was viele für den Namen eines bösen rachsüchtigen Stammesgottes im Alten Testament halten, ist in Wahrheit kein Eigennahme, es ist, genauer gesagt, die Verweigerung dessen, weswegen fromme Juden ihn niemals aussprechen dürfen.

Und nun kommt der zweite, unappetitliche Teil des Exkurses, wobei die Muslime immer noch im Blick bleiben:

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Nacht ohne Augen

Fiction

Eine Kurzgeschichte

Was ist das für ein Drehbuch, dachte ich mir, was für eine Geschichte, ich hätte mich nie dazu bereit erklären lassen sollen, auch nur ein Blick hinein zu werfen, sage ich mir, niemals hätte ich einen Blick riskieren dürfen, keine einzige Silbe hätte ich lesen dürfen, aber die Autorin ist die Nichte einer entfernten Bekannten, die jetzt an der Filmhochschule ihren ersten Abschlussfilm produziert hat, eine unverfängliche Liebesgeschichte, wie ich gehört habe.

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Das obszöne Verlangen nach Kitsch

Fotografie / Kunst

Nationaler Kitsch als Zeichen der postmodernen Nationalerzählung. Mitten in dem Stadtzentrum eines Kleinstaates stehen frisch errichtete die Säule und der Brunnen. Krönung dieses Ensembles ist eine bombastische Reiterstatue, die einen markigen Heroen mit gezückten Schwert auf einem merkwürdig fettem Pferd zeigt. Der Reiter hält das Schwert in die Höhe, während sich das Pferd aufbäumt. Nichts wirkt proportioniert. Nachts und in der Dämmerung wird der Brunnen mit wechselnden bunten Strahlern beleuchtet, was ihm die Anmutung einer Wohnzimmerdekoration aus Fernost verleiht. Anderswo in im Stadtzentrum herzen bronzene Mütter ihre figürlich mißratenen Kinder. Ein weiterer Recke auf der Säule hat Waden, die selbst Arno Breker als zu muskulös empfunden hätte. Und am Fluss entstehen neue Bauten mit antikisierenden Säulen und Spiegelglas, barocken Lünetten oder palladianischen Fassadenaufrissen, es sieht aus, als müsste das Verwaltungszentrum einer rasch wachsenden Versicherungsgesellschaft gebaute Solidität erhalten.

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