„Von daher macht es mir Sorgen, wenn bei der 2023 veröffentlichten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung die Zustimmung der Befragten zur Aussage: ‚Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat‘ im Vergleich zu vorherigen Befragungen dramatisch gesunken ist. Unter den katholischen Kirchenmitgliedern bejahen heute 32 Prozent diese Aussage.“ schreibt in seinem Fastenbrief Bischof Dr. Georg Bätzing.
WeiterlesenDer rohe Blick
Der Klotz des Terrassenhauses / Lobe Block, den Brandlhuber+ Emde, Burlon / Muck Petzet Architekten im Wedding errichtet hatten, spricht allen Vorstellungen gediegener Materialität hohn. Der Ausblick von den Terrassen fällt auf die Geleise der Ringbahn, in offene und weite Gleisanlagen. Korrelierend zu zwei rohen und brutalen Außenseiten bietet das Terrassenhaus frei verglaste, weite Räume, die sich zu ungeschützten Terrassen öffnen. Die Materialwahl des scheinbar Unfertigen und die völlige Preisgabe an das Außen entspricht der des großflächig verglasten WohnregalFAR frohn&rojas, ebenfalls Preisträger des Achitekturpreis Berlin. e.V. 2020. Interessanterweise stehen beide Bauten inmitten von Gegenden mit sozial sehr schwacher Struktur.
Vielleicht erzählen diese Bauten viel über den Blickwinkel etlicher moderner, kritischer Intellektuellen, deren Kontemplation den waste lands unserer Zeit gilt und diese als Signum unserer Epoche begreifen.








Sleeping rough
Eigentlich dachte Markus nur an das Abendessen, das er später zuhause vorbereiten würde. Genauer gesagt, es würde ein Tiefkühlgericht und dazu frische Tomaten geben, jetzt nach dem langem Tag im Büro. Er war noch ein wenig herumgelaufen um in dem Supermarkt frische Tomaten samt Käse zu kaufen und ein wenig die kalte Luft einzuatmen. Warum Markus jetzt durch die Strassen ging, wusste er nicht, die Gegend war ja weder schön, noch angenehm. Funktionale Wohnhäuser, die während des sogenannten Wirtschaftswunders errichtet worden waren, hässliche Quader mit überquadratischen Fenstern und breite Straßen, dazu breite Bürgersteige, auf denen kaum jemand lief, weil sie nichts für die Augen boten.
»Weichen sie nicht aus.«
WeiterlesenMid-century modern
Ursprünglich, so schreibt John Jervis für Dezeen, waren der Mid-century modern und der International Style Mitte der Fünfziger Jahre Symbole kommender Glücklicheren Zeiten. Alles Vorherige sollte vergessen werden, die Menschen würden in eine pflegeleichte Zeit der Sauberkeit, der Demokratie und des reichlichen Wohlstandes kommen. Jedes überflüssige Ornament wäre entfernt, was bleiben würde wäre eine ideale, praktische sowie am reduzierten Design orientierte Einrichtung und Architektur. Schon ein Plattenspieler von Braun war, wie Derek Jarman in seinem Buch Modern Nature schrieb, in dem muffigen England der frühen Sechziger wie ein Vorbote einer neuen Zeit.




Passagen im Nichts








Wohnbauten von Otar Kalandarishvili und Gizo Potskhishvili, 1974–1976, Shalva Nutsubidze St, Tiflis, Gruzja. Die Brücke erlaubt es den Lift des ersten Wohnbaus zu nutzen um höher auf den Hang zu kommen. Heute müssen Münzen eingeworfen werden, um den Lift zu benutzen.
Ränder der Neuzeit, Teil 5
Devil’s Contract heisst das von James Wood im The New Yorker gelobte Buch von Ed Simon, das eine andere Geschichte über uns schreiben will: In der Neuzeit wurde der Pakt mit dem Teufel en gros unterzeichnet und der Preis des Paktes, unser Ende, der sei jetzt fällig. Es ist natürlich nicht nur die Geschichte des Einzelnen, denn wer hat nicht wissentlich hie und da Unrecht akzeptiert oder getan und dabei die unklare Linie des Paktes mit dem Bösen überschritten? Ed Simon geht weiter, der okkulte Pakt sei die wahre, mit Leidenschaft erzählte Geschichte der Neuzeit, eben jener Zeit als es dem Menschen zunehmen glückte, die Welt zu beherrschen. Wer sich diese Gedanken zu eigen machen will, wird auch leichter den Schatten verstehen, der seit dem faustischen Pakt beharrlich die Moderne begleitet. Ed Simon legt eine Spur, die in ein Denken führt, das in absoluten Kategorien urteilt und alle glitzernden Erfolge der Neuzeit mit einer fast fundamentalistischen Verve als immer tiefere Verstrickungen in ein absolutes Unheil sehen will.
WeiterlesenJugoslawische Moderne
Bauten von Edvard Ravnikar. Republic Square ist eine Ansammlung von diversen Gebäuden, die im Verlauf von 20 Jahren errichtet wurden. In den Komplex wurde das Kulturzentrum Cankarjev dom integriert. Ferantov vrt entstand zwischen 1969 und 1979. Die Apsis an der Slovenska cesta verweist auf die Reste einer darunter liegenden römischen Rotunde.
Edvard Ravnikar, der 1993 starb, hatte bei Jože Plečnik und Le Corbusier gelernt und prägte über Jahrzehnte zusammen mit seinen Schülern eine höchst eigenständige Form der jugoslawischen modernen Baukunst.










Längst ist die Moderne des ehemaligen Jugoslawiens eine vergessene Fundgrube, die in ihren Spitzenleistungen den Traum einer facettenreichen Gesellschaft in sich trägt: „The architecture that emerged—from International Style skyscrapers to Brutalist “social condensers”—is a manifestation of the radical diversity, hybridity, and idealism that characterized the Yugoslav state itself“ schrieb das MoMA 2018 angesichts der Ausstellung Toward a Concrete Utopia.
Oder, anders gesagt, in ihren besten Momenten ist die Moderne des ehemaligen Jugoslawiens ein steingewordenes Abbild einer Ära voller Ideale.
Tote Avantgarde
Neubaugelände am Tacheles. Obwohl die Investoren mit renommierten Stararchitekten wie Herzog & de Meuron und Brandlhuber+ aufgewartet haben, ist eine durchdringende Langeweile entstanden. Wahrscheinlich haben die renommierten Namen geholfen, renditorientierte Architektur bei den Baubehörden durchzuwinken. Zwar hat Herzog & de Meuron sich bei der Entwurfsplanung an der kaiserlichen Architektur einer Ladenpassage orientiert und zusätzlich begrünte Innenhöfe geschaffen, entstanden ist trotzdem eine nutzflächenoptimierte Stadtlandschaft. Auch wenn der ehemalige Underground in der Galerie Fotografiska museal konserviert wird und die Investoren noch einmal die Vergangenheit, die ehemalige Kingsize Bar, temporär ausstellen, spiegelt der öffentliche Innenhof mit den Fassaden von Herzog & de Meuron nichts als die Ödnis des nach dem Kriege entstandenen Wirtschaftswunderlandes wider.








A CHAPEL FOR LUKE and his scribe Lucius the Cyrene
Im Diözesanmuseum Freising, das sonst kirchliche und katholische Devotionalien enthält, findet sich eine überraschende Arbeit von James Turrel. Dort, wo früher die Kapelle des Knabenseminars war, ist jetzt eine Lichtinstallation, die den Raum in eine diffuse Sphäre ohne Tiefe verwandelt, nur eine Öffnung in der Wand verbleibt. Die Farbe des Lichtes wechselt, die Öffnung hat immer eine andere Farbe als der Raum. Die Besucher scheinen im Nichts zu stehen, der Raum löst sich auf, was bleibt ist, wie James Turrel sagt, „No object, no image, no point of focus.“ Mehr als alles andere erinnert dieser Raum an das Nirvana der Buddhisten und steht im krassen Gegensatz zu der sonst so haptischen Bildersprache der übrigen Exponate.
„No object, no image, no point of focus.“
WeiterlesenRänder der Neuzeit, Teil 4

Es gibt eine merkwürdiges Zeichnung, die alle Vorstellungen der Linearität der Zeit über Bord wirft. Alles traditionelle Denken, das sich an der bisher bekannten Naturwissenschaft orientiert, erscheint obsolet. Vor dem zweiten Weltkrieg entstand eine grobe Skizze von Japan mit Kreisen an der Küste nördlich von Tokio. Daneben ist ein weiterer Kreis im Landesinneren, in dem eine Art Zeiger steckt. Über Japan beugen sich drei christliche Nonnen, sie haben Kreuze auf ihrem Habit. Unten, im Süden Japans, ist ein trauriger, eingefallener Kopf. Dazu gibt es einen Text, „Japon – Ruidos de ruidos ensordeceráan las alturas. La bomba f.“ Im Süden Japans liegt Nagasaki, eine traditionell teilweise katholische Stadt. Der Abwurf der Atombombe ist nicht alles, was möglicherweise lange vor dem Ereignis skizziert wurde, denn dort, wo die vielen Kreise sind, liegt das zerstörte Kraftwerk von Fukushima. Der einzelne Kreis mit dem stilisierten Pfeil bezeichnet die Stadt Fukushima.
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